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Buchcover Reineke der Fuchs

Renate RaeckeJonas Lauströer
Reineke der Fuchs

Renate Raecke
Reineke der Fuchs

Dieses Buch wurde vorgestellt im Rahmen des Schwerpunkts Russisch (2012 - 2014).

Buchbesprechung

​Diese Bilder! Diese Bilder! Sie ziehen einen in die wirkliche Welt, obwohl sie von Tieren bevölkert werden und auf eine uralte Geschichte zurückgehen.
Die Bilder von Jonas Lauströer in Renate Raeckes „Reineke der Fuchs“ haben so gar nichts Liebliches an sich - keinerlei Sympathie erschleichende Gestik und Mimik der Geschöpfe. Aber so, wie sie in Mischtechnik düster aufs Blatt gemalt, gestrichen, gepinselt, getupft und gezeichnet sind, erwecken sie im Betrachter das Gefühl einer fast greifbaren Nähe zum richtigen Leben und zeigen eine erstaunliche Dynamik in den Bewegungen. Damit rücken sie dem zeitlosen Wesen der Menschen weit näher auf den Pelz als jedes noch so pfiffige Tierporträt. Eine ähnlich beeindruckende Demaskierung menschlicher Eigenschaften, vor allem der Eitelkeit, des Duckmäusertums und anderer Untugenden, ist vor einigen Jahren nur dem großen tschechischen Illustrator Adolf Born gelungen, mit seinen tierisch-menschlichen Karikaturen, mit denen er Jean de la Fontaines Fabeln bebildert hat.

Die Sammlung von Fabeln um den gerissenen Provokateur Reineke Fuchs - der immer wieder mit List, Tücke und Verstand sein Leben meistert, ohne sich zu verbiegen - diese Sammlung war bereits Jahrhunderte vor Goethes berühmtem Versepos in verschiedenen Variationen in Europa im Umlauf. Mehr oder weniger moralisch, mehr oder weniger pädagogisch. Mehr oder weniger literarisch gelungen. Renate Raecke beleuchtet nun mit wohl erwogenen Sätzen im Stil alter Erzählungen die Geschichten um die Pfingstversammlung der Untertanen von König Nobel dem Löwen. Vor allem geht es um die Klagen, die Isegrim der Wolf, seine Frau Gieremut, Braun der Bär, Hinze der Kater, Henning der Hahn, Pardel der Panther und Lampe der Hase gegen Reineke Fuchs führen. Und es geht um die wenigen Wesen, die trotz Volkeszorn, Hohn und Spott zu Reineke halten, allen voran Grimbart der Dachs. Er ist es, der den Fuchs schließlich überredet, sich einer öffentlichen Gerichtsverhandlung unter Vorsitz des Königs zu stellen (dabei geht es etwas humaner zu als in der Tribunalatmosphäre anderer Versionen). Einige Rollen von Handelnden hat Raecke verändert, einige Stimmen verstärkt, aber auch sie lässt Reineke Fuchs heil davonkommen. „Er hat seit Jahrhunderten seinen Kopf aus der Schlinge gezogen“, schreibt die Autorin im Nachwort, „er sollte auch bei mir überleben.“ Und weiter – das ist das Hauptmotiv dieser Fuchsfabeln, die sich vorrangig an schon etwas ältere junge Leser richten: „Narren und Schelme sind vom Aussterben bedroht – darum soll hier an einen Großen seiner Zunft erinnert werden.“

Narreteien und Schelmereien sind in der Tat Tugenden und Überlebensstrategien, die nicht genug gewürdigt werden können. In einer Welt, in der der Schein immer häufiger das Sein beherrscht, in einer Welt, in der nichts glaubhafter ist als das Unglaubliche, braucht es mutige Menschen, die gegen den Strom schwimmen. „Gebrauche doch deinen Verstand und deine List, wenn du überleben willst“, rät Grimbart seinem Vetter, dem Fuchs, in einer anderen neueren Version der Fabel. Diesen Rat haben Renate Raecke und Jonas Lauströer im besten Sinn ins Wort und ins Bild gesetzt.
Buchcover Reineke der Fuchs

Von Siggi Seuß

​Siggi Seuß, freier Journalist, Hörfunkautor und Übersetzer, schreibt seit vielen Jahren Kinder- und Jugendbuchkritiken.