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Buchcover Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge

Silke Scheuermann Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge

Silke Scheuermann
Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge

Dieses Buch wurde vorgestellt im Rahmen des Schwerpunkts Spanisch: Argentinien (2009 - 2011).

Buchbesprechung

„Und woher kommt dein komischer Vorname?“ Diese Frage hat Emma James, mit Nachnamen Schröder, die junge Heldin in Silke Scheuermanns Kinderbuch Die Zukunft der Schmetterlinge, schon sehr häufig in ihrem elfjährigen Leben zu hören bekommen. Dabei ist die Erklärung doch eigentlich ganz einfach; ihren Eltern gefiel eben sowohl der Jungen- als auch der Mädchenname, den sie vor der Geburt ausgesucht hatten, so gut, dass sie ihrem Kind einfach beide Namen gegeben haben.

Aber das ist nicht das Einzige, was besonders ist an Emma James. Sie hat auch noch ein außergewöhnliches Talent: sie kann die Zukunft „träumen“. „Wenn es mal wieder so weit war, bekam sie Kopfschmerzen, die eine Weile dauerten, und dann wusste Emma James etwas, das sie vorher nicht gewusst hatte. Sie sah es wie einen kleinen Film vor sich.“ Das kommt zwar nicht besonders oft vor und ganz genau sind diese Visionen auch nicht, aber es kann doch sehr hilfreich sein, ein Pflaster eingepackt zu haben, wenn man schon weiß, dass die beste Freundin sich das Knie aufschlagen wird. Dass diese trotzdem nicht so recht an die Vorhersagen glauben will und immer alle Warnungen in den Wind schlägt, ist eine andere Sache, führt Emma James aber nicht zum ersten Mal zu der Frage, ob und wie sich die Zukunft wohl beeinflussen lässt.

Und das ist auch das große Thema dieses Buches. Silke Scheuermann hat es in ihrem Kinderbuchdebüt sorgsam in eine ebenso amüsante wie feinfühlig erzählte Geschichte eingebettet und mit dem angereichert, was ein gutes Kinderbuch ausmacht: abwechslungsreiche Abenteuer, ein paar Rätsel, die es zu lösen gilt, und nicht zu Letzt echte Freundschaft ebenso wie Freundschaftsleid. Wie Emma James dabei der Frage nach der Veränderbarkeit der Zukunft nachgeht und schließlich eine Antwort findet, die sogar noch ein Leben rettet, ist äußerst lesenswert.

Doch zunächst einmal ist da ja noch Paul. Er ist ein Jahr älter als Emma James, ihr bester Freund und außerdem „Geschäftsmann“. Er hat die Schule verlassen, weil er auf einen Internatsplatz wartet, und kann sich so, neben dem schwunghaften Handel mit selbstgehäkelten Umhängetaschen und der Organisation von Flohmärkten, auch noch seinem neusten Projekt, einem Hundeausführdienst, widmen. Mit einem Zukunfts-Traum von Emma James beginnt für einen dieser Hunde eine Karriere beim Theater. Aber anders als in ihrer Vision, erweist sich Pudel Schmitti, der lieber den ganzen Tag schläft, anstatt auf Kommando zu bellen, als „müde Nummer“. Hat der Regisseur den Hund zunächst nur aus Mangel an Alternativen im Ensemble behalten, lässt er sich schließlich kurz vor der Premiere von den Kindern dazu überreden, das Stück auf Schmittis einziges Talent, das Schlafen, hin umzuschreiben und es so zu einem Erfolg zu machen.

Während Paul und Emma James noch von den vielen Theaterproben und verschiedenen Versuchen, Schmitti doch irgendwie „fit“ zu machen, ziemlich in Atem gehalten werden, hat Emma James wieder einen Zukunfts-Traum und damit ein weiteres Problem: Schon seit seiner Geburt leidet ihr jüngerer Bruder Rainer Maria unter schwerem Asthma, nun soll er endlich an der Lunge operiert und dadurch geheilt werden. Aber die Bilder in Emma James‘ Vision lassen sie Schlimmes ahnen, was den Ausgang der Operation betrifft.

Ihre Eltern wollen aber weder über die Krankheit des Bruders noch über die Operation sprechen, auf ihre Fragen bekommt Emma James immer nur schwammige Antworten. Als sie sich schließlich Paul anvertraut, macht der den äußerst pragmatischen Vorschlag, sich mit einer „professionellen“ Wahrsagerin zu beraten. In Karin Korall finden die beiden eine neue Freundin, die allerdings auch nur vorausschauend denken kann. Sie kann die Zukunft nicht eindeutig sehen, gibt Emma James jedoch mit ihrer Lebensweisheit, dass „die Zukunft im Heute beginnt“, einen entscheidenden Hinweis.

Mehr oder weniger auf sich alleine gestellt, reisen die Freunde schließlich heimlich in die Großstadt, um dort in einem Hotel neben dem Krankenhaus zu übernachten. Was für Paul bloß ein aufregendes Abenteuer ist, bedeutet für Emma James den Versuch, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um die Zukunft entscheidend zu verändern und zur Heldin zu werden. Dies gelingt ihr schließlich ganz hervorragend – wenn auch ganz anders als erwartet.

Mit Emma James hat Silke Scheuermann eine ebenso sympathische wie tatkräftige Kinderbuchfigur geschaffen, die die Welt der Erwachsenen oft besser durchschaut, als diese vermuten. Auf die Ankündigung der Mutter hin, nach der Operation könne sie dann auch wieder mit ihrem Bruder spielen, wird Emma James sogar richtig wütend: „Das war ja wohl ein Witz.Wieder mit Rainer Maria spielen. Als ob sie jemals richtig mit ihm gespielt hätte. Er war entweder im Bett oder im Krankenhaus. Wenn es ihm einmal gutging, hopsten die Eltern um ihn herum.“

Der locker-leichte Tonfall verleiht dem Buch einen unbeschwerten Grundton, auch wenn hier – neben all den lustigen Abenteuern – eigentlich Trauriges berichtet wird. Denn Emma James‘ Geschichte ist auch die Geschichte eines Kindes, das immer zurückstecken muss. Von dem Gefühl, in der Familie nur das fünfte Rad am Wagen zu sein, davon erzählt die Autorin bemerkenswert einfühlsam und mit einem ausgeprägten Verständnis für kindliche Wünsche und Konflikte. Zum Beispiel, wenn sich Emma James beim Scrabble-Spielen allein mit den Eltern auf einmal nichts sehnlicher wünscht, als eine Familie nur zu Dritt, ganz ohne Bruder. Als sie deswegen kurz darauf Schuldgefühle bekommt, beruhigt sie sich mit der Idee, den Bruder als „Wiedergutmachung“ einmal zu einer Theaterprobe mitzunehmen, und kommt zu dem Schluss, dass man seine Gedanken ja auch nicht immer kontrollieren könne.

Kinder können sich gut in das Erzählte einfinden und mit Emma James identifizieren und werden dies sicher auch gerne tun, da Silke Scheuermann auf den pädagogischen Zeigefinger verzichtet und sich ganz auf den kindlichen Erfahrungshorizont einlässt. Auf diese Weise gelingt es der Autorin, mit einfachen Mitteln Lösungsansätze und -möglichkeiten aus den Figuren selbst heraus zu entwickeln und in Handlung umzusetzen. So etwa, wenn Emma James beschließt, sich „probeweise als Zukunftsforscherin zu betätigen“. Nachdem sie, allein zu Hause, heimlich einen Anruf für die Mutter abgehört und ein Schriftstück des Vaters verräumt hat, grübelt sie über die unerfreulichen Folgen ihrer Handlungen nach.

Beim Anblick des leeren Kühlschranks kommt ihr schließlich der Gedanke, dass es oft gar nicht so schwer ist, die Dinge auch zum Positiven hin zu verändern. Also läuft sie schnell zum Supermarkt, und als am Abend die Schnitzel in der Pfanne brutzeln, ist sie um eine wichtige Erfahrung reicher: „Die Testreihe hatte klar ergeben, dass man die Zukunft ändern kann. Man muss ein bisschen nachdenken und die Zeichen richtig deuten. Nur würde es wohl nicht immer mit einem Einkauf getan sein.“

Von Eva Jaeschke