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Buchcover 50 Klassiker: Naturwissenschaftler. Von Aristoteles bis Crick & Watson

Bernd Schuh 50 Klassiker: Naturwissenschaftler. Von Aristoteles bis Crick & Watson

Bernd Schuh
50 Klassiker: Naturwissenschaftler. Von Aristoteles bis Crick & Watson

Mit Förderung von Litrix.de auf Chinesisch erschienen.

Buchbesprechung

In der Reihe 50 Klassiker des Gerstenberg Verlages sind inzwischen rund 30 Bände zu den unterschiedlichsten Themen erschienen, darunter 50 Klassiker Philosophen, Paare oder Oper. Bernd Schuh, der 2002 für sein Visuelles Lexikon der Umwelt mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Sachbuch ausgezeichnet wurde, hat mit 50 Klassiker Naturwissenschaftler einen Überblick über die Entwicklung der Naturwissenschaften seit Aristoteles vorgelegt. Obwohl fünfzig kurze Porträts nur beispielhaft wichtige Vertreter der unterschiedlichsten Disziplinen vorstellen können, gelingt Schuh mit seinem Buch zweierlei: Zum einen eignet es sich hervorragend als verständliches Nachschlagewerk auch für naturwissenschaftlich weniger beschlagene Leser, zum anderen stellt es die Erkenntnisse und neuen Ansätze des jeweils Porträtierten nicht nur in den wissenschaftlichen, sondern immer auch in den jeweiligen gesellschaftlichen Zusammenhang und setzt so einen Schwerpunkt auf die Dynamik zwischen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und dem jeweils dominierenden Weltbild. Schuh verdeutlicht, dass neben dem Wissensdrang auch handfeste ideologische und materielle Interessen zu den Antriebsquellen der Wissenschaftler und ihrer Geldgeber gehörten. Auf diese Weise entsteht durch die chronologische Anordnung der fünfzig Wissenschaftlerbiografien gleichzeitig ein kurzer Überblick über die Wissenschaftsgeschichte.

Das Layout des Buches spielt eine wichtige Rolle und folgt dem Gestaltungskonzept der gesamten Reihe: Texte erscheinen nicht als „Bleiwüste“, sondern werden grafisch aufgelockert durch zahlreiche Illustrationen wie Porträts, Fotos der Wirkungsstätten oder spezieller Arbeitsgeräte. Jedes Kapitel besteht aus einer drei- bis vierseitigen Darstellung des zentralen Forschungsgegenstands und der wichtigsten neuen Erkenntnisse oder Theorien des betreffenden Wissenschaftlers. Schuh findet für jedes Porträt den passenden Rahmen, mal eher mit Anekdoten und Zitaten, mal durch Kommentare berühmter Zeitgenossen oder die Beschreibung spezieller Forschungsreihen oder außergewöhnlicher Methoden. Jede Darstellung wird abgerundet mit einer kompakten Biografie, Herkunft, Bildungsweg, Familienleben, Karrierestationen und ergänzt durch die Rubriken „Wissenswertes“, „Empfehlungen“ (mit Buch- und Linktipps sowie Museumsempfehlungen) und „Auf den Punkt gebracht“.

Bernd Schuh beginnt seine Darstellung in der klassischen Antike mit Aristoteles, Archimedes und Ptolemäus und erfasst mit deren Forschungsgebieten der Naturbeschreibung, der Mathematik und Physik und der Astronomie bereits einen großen Teil der Grundlagenwissenschaften, aus denen sich später alle weiteren, hoch differenzierten Disziplinen entwickeln. Aber auch die „Wissenschaft im Dienste der Mächtigen“ wird so gleich zu Anfang thematisiert, wenn Schuh beschreibt, wie Archimedes die neuentdeckten Gesetze der Mechanik zur Konstruktion wirkungsvoller Kriegsgeräte anwendet. Dann folgt ein großer Sprung von rund achthundert Jahren, mit dem das nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht dunkle Frühe Mittelalter (Europas) überbrückt wird. Alhazen, der „Vater der Optik“, der sich u.a. mit der Brechung des Lichts beim Wechsel von einem Medium zum anderen und der Funktionsweise des menschlichen Auges befasste, steht hier stellvertretend für die damals einflussreichen arabischen Wissenschaftler insgesamt. Nach weiteren vier Jahrhunderten ohne erwähnenswerte neue Erkenntnisse in der westlichen Naturwissenschaft traten schließlich mit Kopernikus und Paracelsus die ersten Vertreter „moderner“ Wissenschaftler auf den Plan. Ihr Forschungsinteresse galt in erster Linie der Astronomie und der Medizin, jenen Gebieten, die im Europa des späten 15. bis ins frühe 17. Jahrhundert für das geistige und leibliche Wohlergehen der Menschen am wichtigsten waren. Die Biologie (deren Name erst viel später erfunden wurde), die Physik, die Chemie (anders als ihre dunklere Schwester, die Alchemie) und die Mathematik entwickelten sich erst seit Beginn des 17. Jahrhunderts zu eigenen Fachdisziplinen.

Mit der Ausdifferenzierung der Wissenschaften nimmt die Zahl der Erkenntnisse natürlich sprunghaft zu. Sind es im 17. Jahrhundert noch vor allem die Astronomie, die mechanische Physik und erste Anfänge der Anatomie, die die Forscher beschäftigen, kommen im 18. Jahrhundert vor allem die Biologie und die Chemie dazu. Hauptantrieb scheint bis zu dieser Zeit der Wunsch zu sein, die Welt und die in ihr existierenden Phänomene zu verstehen, aber noch nicht, diese Phänomene zum Wohl der Menschen zu verändern. Dies beginnt erst mit der Entdeckung und Nutzung der Elektrizität durch Volta, Ohm und Faraday oder mit Liebig, wenn es z.B. um die Nutzung chemischer Analysen für die Landwirtschaft geht. Im Bereich des medizinischen Fortschritts sind die Namen Pasteur, Koch und Röntgen zu nennen. Die Disziplinen grenzen sich nicht mehr voneinander ab, sondern sie beziehen sich aufeinander und profitieren von den Ergebnissen der anderen Wissenschaftsgebiete.

Die Porträtierung aller wichtigen Naturwissenschaftler des 20. Jahrhundert hätte Schuhs Darstellung wohl gesprengt, hätte er nicht bei den Entdeckern der Doppelhelix, Crick und Watson, halt gemacht. Da mit der Ausdifferenzierung der Forschung auch deren Komplexität zunimmt und in Bereichen wie der theoretischen Physik eine allgemeinverständliche Darstellung der Forschungsinhalte nur noch sehr reduziert möglich ist, erscheint die Beschränkung auf die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts sinnvoll. Die Einführung des Quantenbegriffs durch Max Planck und die daraus resultierenden Möglichkeiten für die theoretische Physik waren nur der Beginn, Atomwissenschaft und Genetik nur zwei der entscheidenden Forschungsbereiche, die auch weiterhin nicht einzuschätzende Risiken und Möglichkeiten für den Menschen in sich tragen.

Bernd Schuhs Buch ist informativ, ohne trocken zu sein, und es ist spannend, ohne oberflächlich zu werden. Es gelingt ihm hervorragend, Interesse an den unterschiedlichsten Themen zu wecken und durch die praktischen Hinweise zum Lesen und „Surfen“ auch gleich Anregungen zum Erweitern der Kenntnisse zu geben. Ein ansprechend gestaltetes Buch, das sich hervorragend als Nachschlagewerk eignet, aber wahrscheinlich doch an einem Stück durchgelesen werden wird.
Buchcover 50 Klassiker: Naturwissenschaftler. Von Aristoteles bis Crick & Watson

Von Heike Friesel