Arne RautenbergWolf Erlbruch
Mut ist was Gutes

Buchcover Mut ist was Gutes

Inhaltsangabe des Verlags

Peter Hammer Verlag
Wuppertal 2023
ISBN 978-3-7795-0712-3
48 Seiten
Verlagskontakt

Übersetzungsförderung
Für diesen Titel bieten wir eine Übersetzungs­förderung ins Italienische (2022 - 2024) an.

„... dass im Leben Glück drin ist“

Arne Rautenberg/Wolf Erlbruch: Mut ist was Gutes

Diese Bilder! Da tut sich doch ein ganzes Universum voller Assoziationen und Inspirationen auf! Man kann verstehen, dass der Dichter – in diesem Fall Arne Rautenberg – sofort zur Feder greifen und dokumentieren musste, was ihm zu den kleinen tierisch-menschlichen Charakterwesen von Wolf Erlbruch einfiel. Egal, ob ihm dazu eine reine oder unreine Reimform in den Sinn kam: „laut schlagen zwei herzen in meiner brust / das eine sagt lass es das andre du musst“.

Es geht um Situationen, die wir alle – jung und alt – schon einmal erlebt, oder besser: durchstanden haben. Herausforderungen, vor allem Mutproben, bei denen uns das Herz in die Hosentasche rutschte und gleichzeitig der Bauch lustvoll kribbelte, so, als säßen wir in der Achterbahn, unmittelbar vor der Schussfahrt nach unten. Es geht in „Mut ist was Gutes“ um die lustvolle Überwindung des ganz gewöhnlichen Angsthasenimpulses, der einem gern dann in die Quere kommt, wenn man voller Neugierde etwas unheimlich Neues ausprobieren will – oder muss.

Der 2022 verstorbene Rolf Erlbruch, der 2017 den Astrid Lindgren Memorial Award erhielt, reizt mit seinen unverwechselbaren Illustrationen jeden Betrachter, die festgehaltenen Augenblicke mit eigenen Erfahrungen weiterzuspinnen. Dabei setzt der Künstler seine Geschöpfe – ausnahmslos Tiere – markant ins Bild. Im Vordergrund das Ereignis, mit Strichen und Farben aufs Wesentliche karikiert. Der Hintergrund leer – ein ockergelbes Nichts. So konzentriert man sich auf die unmittelbare Situation: Ein Tanz auf dem Seil. Ein Augenblick auf dem Brett eines 5-Meter-Sprungturms. Ein heimlich beobachteter Kuss.

Die Erinnerungen und Gedankenverknüpfungen kommen dann fast wie von selbst. Man sieht ein munteres Ferkelchen in Badehose, ganz kurz vor dem Platsch, mit dem es seinen Po gleich ins kühle Nass setzen wird. Und man denkt sofort an ein Ereignis, das man so selbst erlebt hat. Arme fest um die Knie geschlossen. Breites Grinsen im Gesicht, in dem sich gleichermaßen Lust, Spannung und Angst des Augenblicks spiegeln. Oder: Die kleine Eule mit ängstlich geweiteten Augen und fliegendem Schal, festgekrallt auf der Lenkstange eines Fahrrads, das auf abschüssigem Weg immer schneller wird. Hinten auf dem Gepäckträger klammert sich der Hase an die Sattelstange, die Löffel wehen im Fahrtwind. Er vertraut auf Eules Lenkkunst. Was bleibt ihm anderes übrig? „auf geht’s! / mit geheule! / du eule! / das macht spaß! / ja du has! / komm gib gas! / quatsch keine blasen! / lass rasen! / lass schmettern! / lass fetzen! / lass brettern! /wer uns so sieht! / wird uns vergöttern!“ Wenn einem da nicht die Abschürfungen am eigenen Knie einfallen, die man sich bei wilden Ritten auf dem Velociped erkämpft hat!

Am stärksten berührt den Schreiber dieser Zeilen die Augenblicksszene mit Katzenkind und Katzengroßmutter, die nebeneinander auf dem Sofa sitzen. Das Kätzchen hat sich mit kugelrunden, leuchtenden Augen, in freudiger Erwartung dessen, was bald kommen wird, bereits seine Skier angeschnallt. Derweil strickt die Oma mit gesenktem Blick einen Schal fürs Enkelkind. Beide sind sehr präsent und gleichzeitig ganz woanders. Das Kind hat schon die baldige Abfahrt vom schneebedeckten Hügel vor Augen. Die Großmutter erinnert sich vielleicht an ein glückliches Erlebnis in der eigenen Kindheit. Vorfreude hier, Nachfreude dort – und beide gleichzeitig vertraut nebeneinandersitzend, „zwischen weiß noch nicht und weißt du noch“, wie Arne Rautenberg sein Gedicht betitelt. „vorfreude träumt vor sich hin: / ach wenn ich erst woanders bin … / nachfreude im rückwärtssehen: / damals war es wunderschön … / beide eint in diesem zwist / dass im leben glück drin ist.“

Dass im Leben Glück drin ist, darauf pochen Bildkünstler und Dichter in ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Wolf Erlbruch mit seinen grundsympathischen Tierpersönlichkeiten, denen man ihr Menschsein, ihre offenen und versteckten Eigenheiten, auf den ersten Blick ansieht. Und Arne Rautenberg, der die Situationen, in die die Geschöpfe zufällig oder absichtlich geraten, mit seinen Gedankenspielereien in wunderbar leichtfüßige Worte fasst, in Worte, die das Glück – und damit auch den Mut des Augenblicks – auf den Punkt bringen. Gereimt oder ungereimt.
Buchcover Mut ist was Gutes

Von Siggi Seuß

​Siggi Seuß, freier Journalist, Hörfunkautor und Übersetzer, schreibt seit vielen Jahren Kinder- und Jugendbuchkritiken.

Top