Veranstaltungen
13.03.2015, 13:00 Uhr Litrix.de auf der Leipziger Buchmesse 2015 (1)
Gutleutstraße 8-12
60329 Frankfurt am Main
ARTE-Stand, Glashalle, Empore, Stand 11
In seinem Erfolgsdebüt „Frühling der Barbaren“ aus dem Jahr 2013 ließ Jonas Lüscher einen fiktiven Börsencrash wortgewaltig mitten in die entfesselte Hochzeitsfeier des Londoner Finanz-Jetsets in einem tunesischen Oasenresort platzen. 2014 erschien Lüschers bitterböse Novelle in Russland, übersetzt von Maria Zorkaja und gefördert von Pro Helvetia und Litrix.de. Dort stieß das Werk auf große Resonanz. Gemeinsam gingen der Autor und seine Übersetzerin, das druckfrische Buch im Gepäck, auf Lesereise durch Russland und Belarus. „Keine einfache Zeit für eine Russlandreise“, so Lüscher nach seiner Rückkehr. In Leipzig wird er mit Maria Zorkaja über Reiseeindrücke und -erfahrungen, aber auch die russischen Lesarten des Buchs diskutieren.
Eine Übersicht über das Programm des Goethe-Instituts rund um die Themen Literatur und literarisches Übersetzen finden Sie hier.
Ein Bericht von Jonas Lüscher über die Lesereise (die Route ging im Herbst 2014 von Petrosawodsk über St. Petersburg, Archangelsk und Moskau bis nach Rostow-am-Don):
Keine einfache Zeit für eine Russlandreise und die politischen Verwerfungen machen sich dann auch deutlich bemerkbar, so dass es eine ganz andere Reise wird, als sie das noch vor einem Jahr geworden wäre. Man will wissen, was ich von den Sanktionen halte; fragt mich in spöttisch, scherzhaftem Ton, ob ich denn keine Angst gehabt habe, vor dieser Reise. Eine Interviewerin von Rossija2, einem staatlichen Fernsehsender, will mich als Vertreter des Westens vorführen, der seine verderbten Werte nach Russland exportieren will; ich fürchte, ich mache eine ganz schlechte Figur. Bei den Lesungen steht dann doch die Literatur im Vordergrund. Aber auch hier wird fast immer eine politisch/gesellschaftliche Lesart diskutiert. Genau das ist aber auch erfreulich und beeindruckend. Ein zutiefst ernsthaftes Interesse an der Literatur. Ein ungewöhnlich junges Publikum, viele Germanistikstudentinnen mit teilweise klugen Fragen. Dann aber auch eine Studentin die bemängelt, dass junge Autoren heutzutage zu viel über Sex schreiben.
Über vieles lässt sich auch kaum sprechen. Dass es einen substanziellen Unterschied zwischen den russischen und den deutschen Medien gibt - und es gibt ihn, davon bin ich nach dieser Reise wirklich überzeugt -, wollen viele nicht hören und reagieren ganz dünnhäutig. Man befindet sich in einem Krieg der Worte, Propaganda ist sowieso unausweichlich; etwas anders können sich viele gar nicht vorstellen. Und das denken in Blöcken, in irrtümlicherweise überholt geglaubten Mustern, ist beängstigend weit verbreitet.
Natürlich gibt es auch die Anderen. Liberale Intelligenzija, zum Beispiel Juliana, die mich eines Abends durch Sankt Petersburg führt, mich auf die Wetterfahne auf dem spitzen Turm der Admiralität hinweist und dabei Mandelstam zitiert. Aber sie wissen, sie sind eine kleine Minderheit.
Würde ich wieder nach Russland reisen? Jederzeit, jetzt erst recht.
(Jonas Lüscher, Herbst 2014)
Eine Übersicht über das Programm des Goethe-Instituts rund um die Themen Literatur und literarisches Übersetzen finden Sie hier.
Ein Bericht von Jonas Lüscher über die Lesereise (die Route ging im Herbst 2014 von Petrosawodsk über St. Petersburg, Archangelsk und Moskau bis nach Rostow-am-Don):
Keine einfache Zeit für eine Russlandreise und die politischen Verwerfungen machen sich dann auch deutlich bemerkbar, so dass es eine ganz andere Reise wird, als sie das noch vor einem Jahr geworden wäre. Man will wissen, was ich von den Sanktionen halte; fragt mich in spöttisch, scherzhaftem Ton, ob ich denn keine Angst gehabt habe, vor dieser Reise. Eine Interviewerin von Rossija2, einem staatlichen Fernsehsender, will mich als Vertreter des Westens vorführen, der seine verderbten Werte nach Russland exportieren will; ich fürchte, ich mache eine ganz schlechte Figur. Bei den Lesungen steht dann doch die Literatur im Vordergrund. Aber auch hier wird fast immer eine politisch/gesellschaftliche Lesart diskutiert. Genau das ist aber auch erfreulich und beeindruckend. Ein zutiefst ernsthaftes Interesse an der Literatur. Ein ungewöhnlich junges Publikum, viele Germanistikstudentinnen mit teilweise klugen Fragen. Dann aber auch eine Studentin die bemängelt, dass junge Autoren heutzutage zu viel über Sex schreiben.
Über vieles lässt sich auch kaum sprechen. Dass es einen substanziellen Unterschied zwischen den russischen und den deutschen Medien gibt - und es gibt ihn, davon bin ich nach dieser Reise wirklich überzeugt -, wollen viele nicht hören und reagieren ganz dünnhäutig. Man befindet sich in einem Krieg der Worte, Propaganda ist sowieso unausweichlich; etwas anders können sich viele gar nicht vorstellen. Und das denken in Blöcken, in irrtümlicherweise überholt geglaubten Mustern, ist beängstigend weit verbreitet.
Natürlich gibt es auch die Anderen. Liberale Intelligenzija, zum Beispiel Juliana, die mich eines Abends durch Sankt Petersburg führt, mich auf die Wetterfahne auf dem spitzen Turm der Admiralität hinweist und dabei Mandelstam zitiert. Aber sie wissen, sie sind eine kleine Minderheit.
Würde ich wieder nach Russland reisen? Jederzeit, jetzt erst recht.
(Jonas Lüscher, Herbst 2014)