Dita ZipfelBea Davies
Brummps. Sie nannten ihn Ameise

Buchcover Brummps. Sie nannten ihn Ameise

Inhaltsangabe des Verlags

Carl Hanser Verlag
München 2022
ISBN 978-3-446-27255-2
136 Seiten
Verlagskontakt

Übersetzungsförderung
Italienische Rechte bereits vergeben.

Sprungbrett ins Glück

Dita Zipfel, geboren 1981, hat Pommes auf Sylt und Gemüse in Hamburg verkauft, bevor sie Lehrerin in Nordfriesland wurde. Heute schreibt sie sehr erfolgreich Theaterstücke, Drehbücher und Kinderbücher. Für ihren Jugendroman “Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte” mit seinem verblüffenden Humor erhielt sie 2020 sogar den Deutschen Jugendliteraturpreis. Eine nicht weniger originelle Geschichte ist Dita Zipfels Kinderroman „Brummps“.

Schon der Titel katapultiert uns mitten hinein in ein Kinderbuch, das sehr heiter von den ganz großen Themen Liebe, Freundschaft und Tod erzählt, dies aber aus Käferperspektive und damit auch aus Kindersicht. Wodurch diese Themen nicht an Bedeutung verlieren, aber an Pathos.

Protagonist ist Johnny Mistkäfer. Er lebt bei einem Ameisenstamm und alle – auch er selbst – halten ihn für eine Riesenameise. Dass er, anders als die übrigen Ameisen, schlecht sehen und riechen kann und viel zu groß und unbeweglich ist, macht ihn zum Außenseiter. Nur seine Freundin, die Ameise Butz, hält immer zu ihm, wenn er mal wieder gemobbt wird. Als bei Johnny eines Tages eine ansteckende Krankheit diagnostiziert wird, weil ihn immer öfter ein tiefes inneres Beben und Brummen (ein „Brummps“) überwältigt, entschließt er sich, den Ameisenstamm zu verlassen, um diesen zu schützen. Und die kluge Butz geht mit ihm.

„Gib jedem Problem die Chance, dein Sprungbrett ins Glück zu sein“ – das ist Butz‘ Lebensmotto. Und sie hat recht, Johnnys vermeintliche Schwächen als „Ameise“ erweisen sich rückblickend nur als „Stärken am falschen Ort“. Auf der Suche nach einer neuen Heimat entdeckt Johnny mit dem „Brummps“ endlich seine Flügel und das Fliegen und damit auch seine wahre Identität als Mistkäfer. Er rettet die Freundin vor großer Gefahr und findet die große Liebe.

Weltweit gibt es unzählige Kindergeschichten zum Thema Außenseitertum, Mobbing und Freundschaft mit kindgemäßem Happy End. Das Besondere von Dita Zipfels „Brummps“ liegt in der speziellen Art, wie dieses Buch gemacht ist. Zum Beispiel in seiner innigen, aber nie kitschigen Naturnähe, die immer wieder verzaubert. Oder in seiner zarten Komik, die sich nie ironisch über die beschränkten Ameisen erhebt. Und schließlich in einem wunderbaren, sensiblen Sprachwitz. Wenn Johnny sich selbst als „Fehler auf Füßen“ bezeichnet oder als „krabbelnden Knick in der Optik“, dann ist das amüsant und zugleich auch traurig. Und man stellt sich ein Kind vor, das sich selbst als „Fehler auf Füßen“ ansieht.

Was für eine herrliche Herausforderung bietet „Brummps“ allen Übersetzer*innen: Wortneuschöpfungen, Sprachspielereien, flotte Sprüche – da ist viel Phantasie und Kreativität gefragt! Außerdem Sinn für Komik und spritzige Pointen, Lust auf absurde Verbindungen und skurrile Erfindungen. Nicht übersetzt werden müssen glücklicherweise die Bilder von Bea Davies. Sie sind unverzichtbarer Bestandteil der Geschichte und entfalten unwillkürlich ihre Wirkung: Ihr furioser Schwung und ihre schwarz-weiß-orange-flammende Buchgestaltung tragen ganz entscheidend zu diesem besonderen Buch bei!

Erzähler(in) ist – erstaunlich genug – die Natur selbst. Als Mittlerin zwischen Käfer- und Leser*innenleben erklärt und kommentiert sie Johnnys Gefühle und Erlebnisse auf eine so leise und eindringliche Weise, dass man völlig vergisst, dass es sich bei ihm „nur“ um einen dicken Krabbler handelt. Sie erzählt nicht stringent, sondern schweift ab, ironisiert und reflektiert das Geschehen. Und liefert uns auf diese Weise wie nebenbei eine kleine Poetik der Autorin.

Dita Zipfels „Brummps“ ist eine herrlich verrückte und zugleich tief wahre Kindergeschichte. Ein beglückendes Kinderbuch mit einem tiefen Verständnis für Lebewesen, die anders sind, als ihre Umwelt es von ihnen erwartet. Und die gibt es überall, egal, ob sie Fremde sind oder krank. Müsste man unbedingt ein Haar in der Suppe finden, dann hätte dieses temporeiche Buch nur eine – miniameisengroße – Schwäche: Für Sechsjährige ist es doch sehr komplex. Aber da ist es wie mit Johnny Mistkäfer: seine Schwächen sind in Wirklichkeit seine Stärken!
 
Buchcover Brummps. Sie nannten ihn Ameise

Von Sylvia Schwab

​Sylvia Schwab ist Hörfunkjournalistin und hat sich auf Kinder- und Jugendliteratur spezialisiert. Sie ist Jurorin bei den "Besten 7" von Deutschlandfunk und Focus und arbeitet für den Hessischen Rundfunk, den Deutschlandfunk und Deutschlandradio-Kultur.

Top