Schnelleinstieg: Direkt zum Inhalt springen (Alt 1)Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)Direkt zur Sekundärnavigation springen (Alt 3)

BUCHMARKT
Chancen und Herausforderungen

Eingang Buchmesse Kairo 2017
© Goethe-Institut

Unter dem Motto „Kultur und Jugend der Zukunft" fand vom 26. Januar bis 10. Februar 2017 die 48. Internationale Buchmesse Kairo statt, mit 670 Teilnehmern aus 35 Ländern. Überschattet wurde die Messe von der schweren Wirtschaftskrise in Ägypten. Der Wert des Ägyptischen Pfunds sank in den vergangenen Monaten um 120 Prozent, was auch massive Auswirkungen auf den Buchmarkt und die Verlagsindustrie hatte, weil sich die Preise für Bücher und andere Druckerzeugnisse verdoppelten.

Herausforderungen

Anders als in den letzten fünf Jahren verzeichnete die Buchmesse zum ersten Mal seit der Revolution vom 25. Januar 2011 einen Besucherrückgang. Trotz verbesserter Sicherheitslage und umfangreicher Werbemaßnahmen sorgten die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen die Gesellschaft in Ägypten momentan leidet, für ein Wegbleiben des Messepublikums. Aufgrund einer ungewöhnlich hohen Inflationsrate von über 25 Prozent und der Preisverdoppelung bei Büchern und Druckerzeugnissen, kann sich kaum eine ägyptische Familie mehr Bücher leisten.

Während letztes Jahr bei einem Durchschnittspreis von 25 bis 40 Ägyptischen Pfund pro Buch täglich im Schnitt 200.000 Besucher zur Messe kamen, sank die durchschnittliche Besucherzahl in diesem Jahr auf 100.000 pro Tag, wobei der durchschnittliche Buchpreis auf 40 bis 60 Pfund für Bücher ägyptischer Verlage anstieg. Noch drastischer gestaltet sich die Preisentwicklung bei Verlagen aus anderen arabischen Ländern, deren Bücher man vergangenes Jahr noch für durchschnittlich 170 Pfund erwerben konnte, während der diesjährige Durchschnittspreis an die 400 Pfund beträgt.

Karam Youssef, Chefin des Kotob Khan-Verlags aus Kairo, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Verlage dieses Jahr mit zahlreichen Herausforderungen und Krisen zu kämpfen haben. Zum einen sei da die Verdoppelung der Druckkosten, zum anderen der Rückgang der Verkaufszahlen aufgrund der angespannten Wirtschaftslage: „Der Kotob Khan-Verlag veröffentlicht dieses Jahr nur halb so viele Titel wie im letzten Jahr. Ich glaube, die Verlage werden nach und nach die Arbeit einstellen." Der Verlegerin zufolge sei die Krise im Verlagswesen nicht nur ein Resultat der Wirtschaftslage. Vielmehr befinde sich die Branche schon seit Jahren in der Krise, weil Raubkopien sowohl in Form von Raubdrucken als auch in elektronischer Form immer mehr überhandnehmen.

Auf die Frage, wie ihr Verlag auf die Herausforderungen reagieren wolle, vor denen die Branche steht, antwortet Karam Youssef: „Dazu sind mehrere Schritte erforderlich. Zunächst müssen wir uns auf Qualität und Kontinuität konzentrieren. Wer unter solchen Bedingungen überleben kann, ist im Vorteil. Letztes Jahr haben wir 30 Titel produziert. Dieses Jahr sind es nur 15 Titel. Die Auflagenzahlen sinken ebenfalls. Außerdem müssen wir unser Augenmerk stärker auf die arabischen Messen und Märkte richten als auf die ägyptischen."

Chancen

Trotz der großen Herausforderungen, die dieses Jahr auf die Verlage zukommen, bieten sich vor allem für neue und junge Verlage zahlreiche Chancen. Da große Verlage bei der Veröffentlichung neuer Werke lange nicht mehr so risikofreudig sind wie einst, gibt es jetzt mehr Nischen für junge Verlage.

Ahmed Saed, Chef des Rabe3arabe-Verlags, meint dazu: „Die Nachfrage ist dieses Jahr nur mittelmäßig, aber es läuft immer noch besser als letztes Jahr. Die Erwartungen der Verlage waren letztes Jahr recht hoch, die Nachfrage hingegen vergleichsweise recht mager. Dieses Jahr sind die Verlage pessimistisch und zurückhaltend, man rechnet mit Verlusten. Deshalb kann bereits eine mittelmäßige Nachfrage als großer Erfolg gewertet werden. Selbst Optimisten haben nicht das geringste Interesse vonseiten der Leser erwartet, doch das Publikum hat die Verleger überrascht."

Eslam Abdel Moty, Chef des Rwafead-Verlags, erklärt, sein Verlag setze seit dessen Gründung vor allem auf junge Autoren. Trotz gestiegener Druckkosten seien ägyptische Bücher immer noch weitaus günstiger als Bücher aus anderen arabischen Staaten. Messen und Sonderpreise hätten die Kauflust angestachelt, ebenso wie die Publicity durch Literaturpreise und soziale Medien, die viele junge Menschen für das Lesen begeistern können – immerhin sind es vor allem literarische Texte wie Romane und Kurzgeschichten, die am besten bei ihnen ankommen.

Literatur boomt

Buchmesse und Buchmarkt haben in den letzten Jahren große Veränderungen erlebt, was die Art der Bücher mit dem höchsten Beliebtheitsgrad anbelangt. 2011 und 2012 boomten die politischen Titel, 2013 und 2014 waren vor allem die Themen Religion, Gesellschaft und Wirtschaft angesagt, doch 2015 und 2016 zeichnete sich schließlich ein fulminantes Comeback der Belletristik und der Autobiografien ab. Dieses Jahr sorgte der große Erfolg des Romans Nader Fooda des Rundfunk- und Fernsehmoderators Ahmad Younes für Furore. Der Roman ist erst dessen zweiter Versuch als Schriftsteller, doch er entwickelte sich in Windeseile zu einem echten Publikumsschlager, vor allem bei jungen Lesern. Obwohl Ahmad Younes kein etablierter Autor ist, kamen an die 30.000 junge Leute zu seiner Signierstunde.

Rahmenprogramm

Die Internationale Buchmesse Kairo beschränkt sich nicht nur auf den Verkauf von Büchern. Es finden zudem Dutzende verschiedene Veranstaltungen im Rahmen eines Kunst- und Kulturprogramms statt, sei es in Form von Konzerten, Podiumsdiskussionen oder Workshops für Kinder. Khaled Abdelkarim, 35-jähriger Messebesucher, ist der Ansicht, dass es die Veranstaltungen sind, die der Messe eine ganz besondere Atmosphäre verliehen und sie – vor allem für Kinder – zu einem einmaligen Erlebnis machen. Er selbst sei mit seinen neun und sechs Jahre alten Kindern zur Messe gekommen und lege großen Wert darauf, dass die beiden mit dabei sind, um Mal- und Zeichenworkshops oder Open Air-Theateraufführungen zu besuchen.

Auf der diesjährigen Messe haben sich zahlreiche staatliche Organisationen am Rahmenprogramm für Kinder beteiligt. So konnten sich die jungen Messebesucher am Pavillon des Ministeriums für Zivilluftfahrt am Entwurf von Flugzeugen versuchen, während es im Azhar-Pavillon die Möglichkeit gab, zu malen und zu zeichnen oder an Wettbewerben teilzunehmen.

Um die Kinder dazu zu motivieren, zu lesen und sich zu informieren, bot der mit Büchern, Spielen und einem Videoschirm ausgestattete Bibliotheksbus des Goethe-Instituts in Zusammenarbeit mit der Wohltätigkeitsorganisation Misr El Kheir Foundation ein Programm unter dem Motto Geschichten auf vier Rädern an.

Copyright: Goethe-Institut Kairo

Autor

Islam Anwar ist freiberuflicher Journalist in Ägypten.

Februar 2017

Übersetzer*in
Andreas Bünger