Nataly Elisabeth Savina Meine beste Bitch
- Fischer KJB
- Frankfurt am Main 2018
- ISBN 978-3-737-34139-4
- 281 Seiten
- 13 ab 14 Jahren
- Verlagskontakt
Sehnsucht, Lebenslust, Trauer und Humor
„Ich brauche kein Happy End, aber ich möchte eine Hauptfigur lesen, der ich gerne folge und die ich nachvollziehen kann“ sagte Nataly Elisabeth Savina in einem Interview zu ihrem ersten Roman „Love Alice“. Die junge Autorin mit den lettischen Wurzeln zeichnete dort – wie auch in ihrem zweiten Roman „Herbstattacke“ – ein Stück Jugend nach, das zwischen Befreiung und Albtraum balanciert und die großen Lebensthemen wie Glück und Identität so intensiv umkreist, wie es – meist – nur Jugendliche tun.
Auch in „Meine beste Bitch“ – eine Bitch ist eine Göre oder Schlampe – geht es ums Ganze. „Die Normalität ist kein Zustand, sondern eine Behauptung“ sagt Fainas Mutter, die als Psychiaterin in einer Klinik arbeitet. Und „normal“ ist in diesem Roman fast niemand. Die siebzehnjährige Erzählerin Faina nicht, die unter Panikattacken, Juckreiz und Albträumen leidet. Ihre Mutter nicht, die sich eifersüchtig und übergriffig permanent in Fainas Leben einmischt. Auch Fainas allerliebste Freundin Nike nicht, die sich rastlos bei jedem sozialen oder politischen Projekt engagiert und Faina irgendwann den schönen, undurchsichtigen Julian ausspannt.
Auch Berlin, die Großstadt der Träume, ist nicht „normal“, sondern „flatterhaft, kirschsaft-flirty und funky-glitzernd“, dann wieder trostlos, schmutzig und einsam. Hier, wo alles möglich ist, verbringt Faina mit Julian einen verrückten Sommer, in dem die beiden mit allen Poren ihre neue Freiheit mit Sex, Alkohol und schrägen Kunst-Perfomances zelebrieren. Sie wollen Kunst studieren und beschäftigen sich praktisch und theoretisch mit der Frage, wie innovativ, selbständig oder originell Kunst heute noch sein kann. Fragen, die zwar nicht in diesem Roman beantwortet werden, aber mit diesem Roman.
Denn wenn „Meine beste Bitch“ etwas ist, dann kreativ! Und das in mehrfacher Hinsicht. Ungewöhnlich sind nicht nur das exzentrische Personal und die atmosphärisch dicht gezeichnete Großstadt Berlin. Auch Fainas Erzählweise ist eigenwillig und reizvoll. Mit intuitiver Sicherheit beherrscht sie die unterschiedlichsten Töne. In klaren, kurzen Sätzen analysiert sie ihre seelischen und körperlichen Defekte, kühl und konzentriert beschreibt sie ihre Lebenssituation und ihre Erlebnisse. Um dann – wie erleuchtet – in poetisch-intensiven Bildern und sinnlich-dichten Formulierungen ihre Gefühle und Stimmungen zu schildern oder mit witzig-ironischen Vergleichen komplizierte Seelenzustände auf den Punkt zu bringen. Ihre Fähigkeit, sich auszudrücken, ist so reich und vielschichtig wie ihre Psyche, und es ist nicht nur packend, sondern auch anrührend zu beobachten, wie sich hier Distanz und Nähe, Freiheit und Zerrissenheit unmittelbar selbst ausdrücken im Medium der Sprache.
Zur Berliner Szene passt, dass Nataly Elisabeth Savina literarische und musikalische Zitate einstreut. Ob Leonhard Cohen, David Bowie, Atomic Swing oder Albert Camus – sie sind Fainas Orientierungspunkte und Begleiter in dem ebenso schmerzhaften wie euphorischen Prozess des Übergangs und Erwachsenwerdens. „Meine beste Bitch“ erzählt von einer ganz besonderen Lebensphase, die überall in der westlichen Welt wenn nicht gleich, so doch unter ähnlichen Vorzeichen abläuft. Vom Rausch der Freiheit und der Trance der ersten Liebe. Vom Weggehen und Loslassen, von Verrat und Verlust und Neubeginn. Ohne Happy End, ohne Sentimentalität, atemlos, verwirrend schön. So, wie die Autorin auch den Sean-Lennon-Song „Wait for me“ charakterisiert: in einer „Mischung aus Sehnsucht, Lebenslust, Trauer und Humor“.

Von Sylvia Schwab
Sylvia Schwab ist Hörfunkjournalistin und hat sich auf Kinder- und Jugendliteratur spezialisiert. Sie ist Jurorin bei den "Besten 7" von Deutschlandfunk und Focus und arbeitet für den Hessischen Rundfunk, den Deutschlandfunk und Deutschlandradio-Kultur.
Inhaltsangabe des Verlags
„Manchmal schaffen es Menschen, einen anzuziehen wie ein schwarzes Loch.“
Faina hat das Abi hinter sich. Endlich weg aus der miefigen Kleinstadt, fort von der analytischen Psychiaterin-Mutter, die alles zu durchschauen scheint. Endlich nach Berlin, wo alles so flatterhaft, kirschsaft-flirty und funky-glitzernd ist. Das Studium an der Kunsthochschule kann warten. Faina stürzt sich in die Großstadt: Freiheit, Nachtleben, Kultur und hemmungslose Liebe. Denn da ist Julian. Der angehende Performancekünstler, der so aufregend anders ist, mit dem alles so intensiv ist, dem Faina verfällt. Sie ist wie in Trance. Und dann der Schock: Julian verliebt sich in ihre beste Freundin Nike und verrät ihre Verbindung. Rasend vor Wut und Enttäuschung verwüstet Faina Julians Wohnung und tilgt die beiden wichtigsten Menschen aus ihrem Leben. Doch dann geschieht ein Unfall, der ihre Beziehung unter neue Vorzeichen stellt.
Nataly Savina ist ein außergewöhnlicher, bild- und sprachgewaltiger, moderner Entwicklungsroman gelungen, der eine junge Frau auf der Suche nach ihrem wirklichen Ich begleitet. Besonders, berührend, mitreißend, echt.
(Text: Fischer KJB)