Patrick SpätBea Davies
Der König der Vagabunden. Gregor Gog und seine Bruderschaft
- avant Verlag
- Berlin 2019
- ISBN 978-3-96445-015-9
- 160 Seiten
- Verlagskontakt
Tippelbruder und Anarchist
Eine biografische Graphic Novel hat sich nun erstmals der historischen Figur Gregor Gog (1891-1945) angenommen, um an dessen Leben und Wirken eindringlich zu erinnern. Nachdem der in Preußen geborene junge Gog erste „vagabundierende“ Lebenserfahrungen als einfacher Matrose auf den Weltmeeren sammelte und ab 1914 widerwillig als Wehrpflichtiger am 1. Weltkrieg teilnahm, beteiligte er sich 1918 am Kieler Matrosenaufstand. Nach dem Krieg wurde er, angeregt durch anarchistische Literatur und politisch Gleichgesinnte, Vagabund aus Überzeugung.
Zusammen mit anderen Anarchisten gründete Gog in Urach nahe Stuttgart die „Kommune am Grünen Weg“, die ein Zentrum für Freidenker, Schriftsteller und Künstler aller Art wurde: Theodor Plievier, Johannes R. Becher, Erich Mühsam und Gusto Gräser gehörten dazu. Höhepunkte von Gogs Wirken waren neben politischen Schriften, die sich für die Rechte der Obdachlosen einsetzten, die Gründungen der „Bruderschaft der Vagabunden“ 1927 und des „1. Internationalen Vagabundenkongresses“ 1929 sowie die Leitung der ersten Straßenzeitung Europas „Der Kunde“.
Der 1982 geborene Autor Patrick Spät hat für sein Szenario Gogs reiche Lebensgeschichte genauestens recherchiert und ein profundes Nachwort voller weiterer interessanter Details verfasst. Als Rahmen wählt Spät eine Episode im Winter 1933/34, als Gog vor den Nationalsozialisten aus einem Konzentrationslager in die Schweiz flüchtet. Die späten, tragisch verlaufenden Jahre Gogs klammert die Graphic Novel aus, um sich auf dessen Entwicklung in jungen Jahren und den Höhepunkt seines Wirkens in den 1920er Jahren zu konzentrieren. Gog erscheint als redegewandter, die Sache der Obdachlosen vertretender Wortführer des Uracher Kreises. Um 1930 fühlte er sich zunehmend vom Sowjet-Kommunismus angezogen, dessen Schattenseiten er aber nicht sehen wollte.
Die 1990 geborene Illustratorin und Zeichnerin Bea Davies, die bereits mit einigen Comics in der Berliner Independent-Szene auf sich aufmerksam machte – darunter auch eine Serie über Berliner Obdachlose von heute -, hat die eindrucksvollen schwarzweißen Bilder für diese Comicbiografie geschaffen. Ihre stimmungsvollen, von starken Kontrasten dominierten Tuschezeichnungen erinnern an expressionistische Druckgrafiken und fangen die Epochen des deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik überzeugend ein. Insbesondere Gogs Willensstärke wird in ihren ausdrucksvollen Figurenzeichnungen deutlich. So gelingt es dem Team Davies / Spät, die damals viel Aufsehen erregende Vagabunden-Bewegung heutigen Lesern nahezubringen. Obendrein erschaffen sie ein berührendes Porträt ihres charismatischen Anführers.
Von Ralph Trommer
Ralph Trommer, Dipl. Animator, freier Autor und Künstler, schreibt für verschiedene Medien regelmäßig Rezensionen und Fachartikel über Comics, Graphic Novels und Filme.
Inhaltsangabe des Verlags
Stuttgart, Pfingsten 1929: Die Polizei errichtet Straßensperren, in der Stadt sind die Vorhängeschlösser ausverkauft.
Gregor Gog (1891–1945), landesweit berühmt als der »König der Vagabunden«, trommelt die Tippelbrüder und -schwestern zum Internationalen Vagabundenkongress zusammen und ruft den »lebenslangen Generalstreik« aus. Zwei Jahre zuvor gründete der ehemalige Matrose Gog die »Bruderschaft der Vagabunden«, um Obdachlosen zu helfen und sie politisch zu organisieren. Im gleichen Jahr veröffentlichte Gog mit „Der Kunde“ die erste Straßenzeitung Europas.
Zeitlebens kämpfte Gog gegen Ausbeutung, Faschismus und Rassismus. Der König der Vagabunden schildert das abenteuerliche und entbehrungsreiche Leben der Vagabunden in den 1920er Jahren und enthält viele O-Töne aus jener Zeit.
Ein Comic über Armut und Hoffnung, Freundschaft und Protest – und ein vergessenes Kapitel der Weimarer Republik.
„Wo der Bürger aufhört, beginnt das Paradies!“ (Gregor Gog)
(Text: avant Verlag)