Nils MohlHalina Kirschner
Wilde Radtour mit Velociraptorin
- mairisch
- Hamburg 2023
- ISBN 978-3-948-72227-2
- 56 Seiten
- Verlagskontakt
In die Pedale, fertig, los!
Ja, zugegeben: Am Schreiber dieser Zeilen nagt ein kleiner gelber Neidwurm. Seit über dreißig Jahren fährt er mit dem Fahrrad durch die nahe Welt. Immer schön langsam. Stadtrad mit Acht-Gang-Nabenschaltung. Dabei trifft er vielerlei Lebewesen, Menschen, Nutztiere, Schwebfliegen, Wildkaninchen, Ringelnattern, Nacktschnecken. Noch nie jedoch das, was dem Schriftsteller Nils Mohl bei einem ganz alltäglichen Ausritt auf seinem geliebten Drahtesel begegnete: Ein Velociraptor. Ausgestorben seit Jahrmillionen. Aber quietschvergnügt im Hier und Jetzt. Und immer noch so schnell wie damals. Nils Mohl beschwört's. So, wie er den Fall dokumentiert, ist ihm zu glauben.
Er macht aus dieser Begegnung ein Buch, „Wilde Radtour mit Velociraptorin“, in dem er gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlägt. Mohl erzählt eine lustige Abenteuergeschichte, die Halina Kirschner mit ebenso lustigen, knallgrün-magentafarben dominierten Karikaturen illustriert. Nebenbei, oder besser: im Vorüberradeln erklärt er nützliche Begriffe rund ums Fahrrad und verleitet schließlich die jungen Leser und Leserinnen dazu, sich seinem Spaß an der Freude anzuschließen: Er jongliert mit Buchstaben und Wörtern, bis ein putzmunteres Alphabet auf die Seiten purzelt, von „A … wie Anfang und Abenteuerlust“ über „P … wie Poesie und Protest“ bis „Z ... wie Zuhause“.
Dazu muss er erst einmal seine drei Hauptakteure vorstellen: (Erstens) sich selbst, wie ihm, am Schreibtisch sitzend, wieder mal keine Geschichte einfallen will und er sich deshalb – altbewährte Methode! - auf seinen City Cruiser schwingt und einfach losfährt. - (Zweitens) das Fahrrad, das dort, wo Menschen französisch sprechen, Vélo heißt, wörtlich übersetzt „schneller Fuß“. - (Drittens) die Velociraptorin, die ihm begegnet, mit einem Fahrradanhänger im Schlepptau. Velociraptor heißt so viel wie „schneller Räuber“ und war sozusagen das Rennrad unter den Urzeitechsen. Wenn man ein sehr aufmerksamer Schriftsteller wie Nils Mohl ist, der Flöhe husten hört und sofort danach ein Flohgedicht aus dem Handgelenk schütteln könnte, dann kann einem schon mal ein Urzeitdino über den Radweg laufen. In diesem Fall ein freundliches und sehr wissbegieriges weibliches Exemplar.
Generell ist zu empfehlen, sich bei Schreibhemmungen auf den Sattel zu schwingen und loszuradeln. Dorthin, wo die Luft frisch und rein weht, die träge gewordenen Hirnregionen im zentralen Nervensystem umspielt und zu neuen Gedankenblitzen animiert. Und dann: Reingetreten in die Pedale und los! A wie Anfang und Abenteuerlust. Am Seitenrand werden die mit dem jeweiligen Buchstaben beginnenden Begriffe aus der Fahrradwelt kindgerecht in deutlich abgesetzter leuchtend grüner Schrift erklärt. Im Erzähltext wird das Alphabet Buchstabe für Buchstabe aus allen Nischen geholt, in denen es sich herumtreibt. Allein bei „A“ finden sich in den ersten zehn Zeilen mehr als ein Dutzend Anfangs-As: Arbeit, Autor, anstrengend, anfangen, aber, auch, Ausweg, Aufstehen, an, ab, allein, Abwechslung. Also los!
Noch pumpt der Schriftsteller die Fahrradreifen auf, da tönt es schon neben ihm “Anhalten, Asphalt-Cowboy!“ In dieser jovialen Tonart der Velociraptorin geht es querfeldein auf befestigten Wegen durch Wald und Wiesen und gleichzeitig durch die wundervolle Welt des Fahrradfahrens. Und je windumspielter die Fahrt, desto mehr lösen sich die Buchstaben des Alphabets aus den träge gewordenen Hirnwindungen. So wie beim Buchstaben A, geht es Doppelseite für Doppelseite weiter, bis das Gespann zischend, die Zangenbremse bedienend, auf das Zuhause des Schriftstellers zurollt. Uff! Oder besser: Z wie Zapperlott!
Alle sind zufrieden: Der Schriftsteller, der endlich unverkrampft sein Abenteuer zu Papier bringen kann. Die Velociraptorin, die inzwischen selbst ein Asphalt-Cowgirl ist, weil ihr der gute Nils Mohl ja das Radfahren beigebracht hat. Und vor allem die lesenden Kinder. Sie wurden Zeugen einer abenteuerlichen Radfahrt, erfuhren Grundsätzliches über das Fahrrad und absolvierten gleichzeitig eine Grundausbildung zu ABC-Akrobaten, die nun frisch, fromm, fröhlich und frei mit Buchstaben und Wörtern jonglieren können.
Nachsatz: Freuen werden sich sicherlich auch die Übersetzer dieses ungewöhnlichen Abenteuerradschlagsprachbilderbuchs, wenn sie das deutsche Alphabet in ihrer Sprache neu mischen. Rad- und Stiftbruch!

Von Siggi Seuß
Siggi Seuß, freier Journalist, Hörfunkautor und Übersetzer, schreibt seit vielen Jahren Kinder- und Jugendbuchkritiken.
Inhaltsangabe des Verlags
Moment mal — Velociraptoren? Das waren doch sehr schnelle Dinos, oder? Der Erzähler, ein Schriftsteller mit eingerostetem Fabuliertalent und großer Fahrradleidenschaft, staunt nicht schlecht, als plötzlich so ein gefiedertes Urzeitreptil vor ihm steht. Die schlagfertige und neugierige Velorciraptorin will nämlich noch schneller werden: Sie möchte von ihm das Radfahren lernen.
Und so beginnen die beiden eine Reise in 26 Kapiteln, von A wie »Aufpumpen« bis Z wie »Ziel«, und lernen ganz nebenbei die wichtigsten Begriffe, Regeln und Tipps rund ums Fahrradfahren. Schließlich fühlt sich die Ciraptorin so gut vorbereitet, dass sie sogar bei einem großen Radrennen antreten kann — ob sie das wohl gewinnt? Der Schriftsteller jedenfalls hat viele neue Abenteuer erlebt und eine echte Freundin dazugewonnen — die wahrscheinlich erste Velociraptorin, die diesen Namen auch wirklich verdient hat.
(Text: mairisch)