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Buchcover Hey, hey, hey, Taxi!

Saša StanišićKatja Spitzer
Hey, hey, hey, Taxi!

Übersetzungsförderung
Mit Förderung von Litrix.de auf Italienisch erschienen

Ein Konfettiregen aus Geschichten

Eltern wissen, wie es sich anfühlt, wenn die lange Reise eines Tages vor dem Bett des Kindes endet, das nun endlich schlafen soll. Ein heikler Moment, denn die Schwelle zwischen Wachen und Träumen ist für ein Kind nicht einfach zu nehmen. Rituale können dabei helfen. Zum Repertoire der Kinder zählt etwa die Frage: „Erzählst du mir eine Geschichte?“ Bevor die erschöpften Eltern vor dieser Aufgabe kapitulieren, sollten sie in das neue Buch von Saša Stanišić schauen. „Hey, hey, hey, Taxi!“ liefert Geschichten ohne Ende. Ein Ende besitzen sie zwar schon, das besteht jedoch stets in der Versicherung des Erzählers, dass er zu seinem Kind zurückkehrt. Hier klingt schon das schlechte Gewissen des Vaters an, der viel gereist ist und dessen Abwesenheit immer mit dem Einstieg ins Taxi beginnt und auch wieder damit endet. Zugleich ist das Taxi aber auch ein Schlüsselwort für Fernweh und Abenteuer. Kaum ist der Vater ins wartende Auto gestiegen, verwandelt sich dieses auch schon in eine Kutsche, die durch die Prärie an grasenden Bisons und maskierten Banditen vorbeifährt.

Wer hätte gedacht, dass Saša Stanišić, Gewinner des Deutschen Buchpreises 2019, nun mit Kindergeschichten aufwartet? Entstanden sind sie nicht alleine vorm Zubettgehen, sondern auch beim gemeinsamen Wandern oder in der Runde der Geburtstagsgäste. Mit der Literatur, ihren Funktionen und Genüssen, haben sie viel zu tun. Wie alle guten Geschichten sollen sie erfreuen, auf heilsame Weise verwirren und zum Nachdenken anregen. Deshalb schätzt es Stanišić, wenn sich während des Erzählens ein Spiel aus Fragen und Antworten ergibt. Fragen könnte es bei den Zuhörenden tatsächlich viele geben. Die Geschichten sind spontan entstanden und verdanken sich einer entfesselten Lust am Fabulieren. Sie spielen etwa in einer Tier-Kita, wo ein umsichtiger Fuchs den Tierkindern zeigt, wie es in der Welt zugeht. Mit dem Taxi braust man aber auch zu den Drachen, Riesen oder Fledermäusen und das wundersame Auto kann ebenso in die Zukunft wie in die Vergangenheit fahren. Der Versuch, die Welt mit Sprache in Bewegung zu bringen, sich vorzustellen, dass alles auch ganz anders sein könnte, gehört zu den ureigenen Intentionen der Literatur. Nicht zu vergessen: das Spiel mit den Worten. So "diebelt" die Elster oder es "fledert" die Fledermaus.

Es sind nicht, wie so oft in der Literatur für Kinder und Jugendliche, die Themen, an denen Saša Stanišić interessiert ist, als vielmehr die Erfahrungen, die die Kinder mit Angst, Mut oder Ungerechtigkeit machen. Deshalb bleiben die Geschichten auch nach allen Seiten hin offen. Mal geht es mit dem Taxi aufs Schiff zu den Piraten, dann steht ein Abenteuer mit einem Roboter an. Die Kinder können die wuchernde Handlung über das jeweilige Ende hinaus selbst weiter erfinden und erzählen. So eignet sich dieses Buch nicht nur für Vorschulkinder, sondern auch für jene, die sich gerade die Welt der Buchstaben erobern.

Katja Spitzer nimmt in ihren Illustrationen jene Verve auf, mit der Stanišić seine Fantasie ins Kraut schießen lässt. Ihre Gestalten befinden sich kaum einmal auf dem Boden. Zumeist fliegen sie über die Seiten. Die Körper biegen sich geschmeidig, so dass sie jederzeit zum Sprung ansetzen könnten. Katja Spitzer illustriert flächig, alles spielt sich im Vordergrund ab, wie auf Kinderzeichnungen, die sie kunstvoll paraphrasiert. Dabei bedient sie sich einer kühnen Farbpalette, auf der Dunkelblau, Türkis, Pink und Gelb direkt nebeneinander liegen. Alles ist möglich in diesem Buch, das Einfälle wie Bauklötze zu Geschichten auftürmt oder sie lustvoll durcheinander wirbelt.
Buchcover Hey, hey, hey, Taxi!

Von Thomas Linden

​Thomas Linden arbeitet als Journalist (Kölnische Rundschau, WWW.CHOICES.DE) in den Bereichen Literatur, Theater und Film und konzipiert als Kurator Ausstellungen zur Fotografie und zur Bilderbuchillustration.