Daniel Marwecki Die Welt nach dem Westen. Über die Neuordnung der Macht im 21. Jahrhundert
- Aufbau Verlag
- Berlin 2025
- ISBN 978-3-96289-239-5
- 288 Seiten
- Verlagskontakt
Für diesen Titel bieten wir eine Übersetzungsförderung ins Polnische (2025 - 2027) an.
Zwischen Zukunft und Vergangenheit: Europas Rolle in der postwestlichen Welt
Abgesehen von Marweckis Geringschätzung für manche europäischen Errungenschaften wie Rechtsstaatlichkeit und individuelle Freiheit kann man seiner Beurteilung der postwestlichen Weltordnung durchaus folgen. Der Blick von Hongkong aus schärft den Realitätssinn und wirkt gegen „deutsche Weltfremdheit“. Der Abstieg Deutschlands und Europas, wirtschaftlich, politisch und kulturell, ist für Marwecki unaufhaltsam. Nun käme es alles darauf an, ihn wenigstens zu „managen“. Der Abstieg der einstmals kolonialen Imperien, allen voran Großbritanniens und Frankreichs, mag eine ausgemachte und sogar begrüßenswerte Tatsache sein. Wie aber soll man den Aufstieg von Akteuren von China über Indien bis Brasilien bewerten? Eine kulturelle Hegemonie wie jene des „Abendlands“ wird von keinem dieser Akteure zu erwarten sein, macht Marwecki deutlich, und sicher auch keine unerbetene Lektion in Sachen Freiheit und Menschenrechte. Der „Aufstand der Anderen“ und ihr Aufstieg vollzieht sich ohnehin auf ganz unterschiedlichen Pfaden, von denen die ostasiatische „Industrialisierungsmission“, nämlich ein robuster, exportstarker Staatskapitalismus, das größte Potential bietet. Was in China gelang, könnte demnächst etwa auch in Indonesien gelingen, meint Marwecki. Aber hat nicht der ökonomische Erfolg Ostasiens viel mit seiner Kultur des Kollektivs zu tun? Und was könnte (und möchte) Europa von dieser Kultur lernen?
Marwecki beschreibt den Aufstieg der nicht-westlichen Mächte als eine Geschichte mehrerer Emanzipationen. Ihren Ausgang nahmen sie in den Befreiungskämpfen, die in die erste Dekolonisierung um 1960 mündeten. Nun sei eine „zweite Revolte gegen den Westen“ zu beobachten. Entzündet habe sie sich an den Kriegen in der Ukraine und in Gaza. Von China und seinen vielen Freunden in der Welt her betrachtet, sind beide Konflikte zwar misslich, keinesfalls aber erfordern sie eine Parteinahme zugunsten des Westens. Wer ist überhaupt der Aggressor? Moskau setzt sich bekanntlich gerne als Anwalt der Dekolonisierung in Szene und kämpft demnach in der Ukraine gegen die US-Hegemonie und für die multipolare Weltordnung. Und die Palästinenser dürfen sich der Sympathie des „Globalen Südens“ solange sicher sein, wie sie ausschließlich als Opfer eines „kolonialen Projekts“ namens Israel betrachtet werden.
In der Welt nach dem Westen sind moralische Maßstäbe, für die Europa berühmt oder berüchtigt geworden ist, in Misskredit geraten. Auch die USA richten sich gerade in dieser neuen Welt ein oder erschaffen sie mit. Diese Welt wird multipolar, hochkompetitiv und, wenn nötig, auch kriegerisch sein. Europas „Traurigkeit“ über diese neue Welt möchte Daniel Marwecki ausdrücklich nicht teilen.
Von Christoph Bartmann
Christoph Bartmann war Leiter der Goethe-Institute in Kopenhagen, New York und Warschau und lebt heute als freier Autor und Kritiker in Hamburg.
Inhaltsangabe des Verlags
Das Buch der Stunde: Daniel Marwecki beschreibt die Welt, wie sie sich gerade vor unseren Augen verändert - und spendet mit seiner klugen und menschenfreundlichen Analyse Trost durch Verstehen.
In den Trümmern der Kriege in Gaza und der Ukraine zeichnen sich die Konturen einer neuen Welt ab. Donald Trump ist der westliche Abstiegsmanager, der die USA von einem Imperium zurück in einen Nationalstaat verwandelt – zum Leidwesen eines traurigen Europas, das ahnungslos in die neue, multipolare Welt hineinstolpert. Im Schatten all dessen entfaltet die Dekolonisation – verspätet – ihre Wirkung.
(Text: Aufbau Verlag)
