Hubert SchirneckSonja Bougaeva
Typisch Bär!
- Boje Verlag in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG
- Köln 2012
- ISBN 978-3-414-82294-9
- 120 Seiten
- 5 ab 6 Jahren
- Verlagskontakt
Hubert Schirneck
Typisch Bär!
Mit Förderung von Litrix.de auf Russisch erschienen.
Ekaterina Aralova hat „Typisch Bär!“ ins Russische übersetzt.
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Wie sind Sie zum Übersetzen gekommen?
Mich haben zwei Wünsche angetrieben: zunächst wollte ich die gelesenen Bücher mit meinen Freunden und Verwandten teilen, doch nicht alle beherrschten die deutsche Sprache. Da dachte ich mir, der sicherste Weg, von einem Buch zu berichten, ist es, dieses Buch zu übersetzen. Später dann konnte ich einfach nicht aufhören, nachdem ich einmal einen literarischen Text zur Probe übersetzt hatte.
Praktisch waren für mich zwei Umstände entscheidend: Ein Gespräch mit der Übersetzerin Tatjana Baskakova, die an mich geglaubt hat, und die Teilnahme an der deutsch-russischen Übersetzerwerkstatt „ViceVersa“ (LCB).
Was hat Sie an diesem Titel besonders gereizt?
An diesem Buch reizt mich am meisten die Hauptfigur, der Bär. Er ist zugleich sehr souverän und sehr zärtlich – eine Kombination, die ihm selbst zu schaffen macht. Am Ende des Buches versteht man, dass es um gerade diese beiden Eigenschaften gegangen ist.
In diesem Buch resultiert das Inhaltliche vor allem aus dem Sprachlichen. So zeigt der Bär beispielsweise großes Interesse für Sprichwörter, verwechselt sie aber oft und setzt manchmal Teile von verschiedenen Sprichwörtern zusammen. Im deutschen Original macht er das überaus witzig und poetisch, während mir meine russische Fassung schwerfälliger vorkommt. Außerdem musste die Übersetzung dieses Buches auch mit den Originalbildern übereinstimmen. Würde es die Illustrationen nicht geben hätte mein Bär manches Mal etwas anderes gesagt. Sogar sein Leben wäre in bestimmten Details anders verlaufen: Zum Beispiel wäre seine Freundin dann keine Butterblume (die im Russischen maskulin ist), sondern eine Margerite.
Vor welche besonderen Herausforderungen hat Sie diese Übersetzung sprachlich und inhaltlich gestellt?
In diesem Buch resultiert das Inhaltliche vor allem aus dem Sprachlichen. So zeigt der Bär beispielsweise großes Interesse für Sprichwörter, verwechselt sie aber oft und setzt manchmal Teile von verschiedenen Sprichwörtern zusammen. Im deutschen Original macht er das überaus witzig und poetisch, während mir meine russische Fassung schwerfälliger vorkommt. Außerdem musste die Übersetzung dieses Buches auch mit den Originalbildern übereinstimmen. Würde es die Illustrationen nicht geben hätte mein Bär manches Mal etwas anderes gesagt. Sogar sein Leben wäre in bestimmten Details anders verlaufen: Zum Beispiel wäre seine Freundin dann keine Butterblume (die im Russischen maskulin ist), sondern eine Margerite.
Wie würden Sie Ihre Rolle als Übersetzer beschreiben?
Meine Rolle als Übersetzerin sehe ich darin, möglichst genau das zu vermitteln, was ich im Buch höre und sehe. Wenn ich ein deutsches Buch lese, bin ich direkt in das Geschehen involviert. Ich höre die Stimme des Erzählers und der anderen Figuren. Ich sehe die Figuren, die Handlung und ihre Orte. Meine Aufgabe ist es, die Intonation, die Farben und Töne auf Russisch zu vermitteln. Das ist mein Ideal - in der Wirklichkeit aber fehlen oft die Fähigkeiten, die Fantasie oder die Zeit.
Was schätzen Sie besonders an aktueller deutschsprachiger Kinder- und Jugendbuchliteratur?
Da bin ich eher überfragt. Ich kenne die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur nicht gut genug. Seit jeher liebe ich Christine Nöstlinger, deren Bücher jetzt gerade in Russland viel herausgegeben und gern gelesen werden. Man liest auf Russisch auch mit Begeisterung Paul Maar und Rotraut Susanne Berner. Ich bin überzeugt, dass Janoschs Bücher ein sehr wichtiger Teil der deutschen Kinder- und Jugendliteratur sind, aber sie sind ja längst Klassiker, die sich übrigens kaum adäquat ins Russische übersetzen lassen.
Buchbesprechung
Diese neuen Geschichten zum Vorlesen von Hubert Schirneck entpuppen sich als liebevoll-ironische Erzählungen, die oftmals viel raffinierter entwickelt sind, als es der schlichte Titel vermuten lässt. Denn gleich in der ersten Story zeigt sich, dass eine dicke Portion Halbwissen, die aus dem Radio nachgeplappert wird, nicht wirklich klug macht. Immer wieder greifen die Informationen, durch die sich der Bär zuhörender Weise unterhalten lässt, viel zu kurz. Aufklärung erfährt er stattdessen vom Löwen und vor allem von dessen Freundin Luise. Immer wieder lässt Hubert Schirneck seinen Löwen kritisch nachfragen, denn der hat sich erkundigt: Die Sprichwörter des Bären gibt es gar nicht. So funktionieren Bildung und analytisches Denken.
Hubert Schirneck entfaltet in seinem Buch eine wunderbar klare Prosa, die sich gut zum Vorlesen eignet, weil die Sätze schnörkellos und zielgerichtet formuliert sind. Hier bewegt sich jemand aufmerksam in einem Sprachschatz, der auch Sechsjährigen zugänglich ist und gleichwohl Charme besitzt. Zumal Schirneck in den zahlreichen Dialogen die Stimmen von Bär und Löwe unverwechselbar zum Klingen bringt.
Die Sprache ist das eigentliche Sujet der Geschichten. Hubert Schirneck vermittelt seinen Lesern zum Beispiel eine Vorstellung vom Umgang mit Metaphern, indem er eine Geschichte von den Sternbildern entwirft. Der Bär versucht, sich ein Sternbild vom Himmelszelt an die Wand zu nageln. Dabei fällt er in eine Bärenfalle und entdeckt aus der dunklen Grube aufschauend die Sternenbilder am erleuchteten Himmel. Dass der Pädagogenfinger hier gar nicht erst erhoben werden muss, liegt an der Geradlinigkeit, mit der Schirneck bei seinen Stories bleibt und sie auf ihre Pointe hin vorantreibt.
Sprachliche Wendungen wörtlich zu nehmen, ist für Schirneck eine Haltung, die den Blickwinkel der Kinder ernst nimmt und ihm zugleich eine poetische Komik ermöglicht. Der Bär versucht etwa herauszufinden, was Rache ist, da diese doch bekanntlich süß sein soll – und Süßes findet sein ungeteiltes Interesse. Die Geschichte führt ihn jedoch nicht in dramatische Konflikte, sondern in die Arme einer Bärin, in die er sich verguckt, so dass sich die Sehnsucht nach der netten Freundin durch den Rest des Buches zieht.
Nie verliert Hubert Schirneck aus dem Auge, dass er für Kinder erzählt. Jene Herzschmerz-Romanzen, die viel zu oft in die Kinderliteratur Eingang finden, obwohl Grundschulkinder herzlich wenig mit dem für sie schwer verständlichen Phänomen der Liebe anfangen können, meidet Schirneck mit Bedacht.
Während der Bär auf die Rückkehr seiner Freundin wartet, beginnt er zu grübeln und wird dafür vom Löwen gerügt. Aber selbstbewusst entgegnet er: „Wer grübelt, bekommt Ideen und Ideen sind gut.“ Recht hat er. Hubert Schirneck entwirft seinen Bären nicht als schwerfälligen Gesellen, sondern in diesem Bären schlummert – ganz im Sinne der überlieferten Tiersymbolik, die den Bären Energie und Kreativität zuschreibt – ein großes Potential an Fantasie und Wissensdurst. Dieser Bär ist zudem ein Brillenbär, eine Tatsache, die Sonja Bougaeva in ihren Illustrationen zu den Texten durch die Helligkeit betont, die sie dem Bärengesicht verleiht. Ihre Tiere leben von den Augen, die immer ein wenig erstaunt schauen und dadurch unverkennbar nach Antworten verlangen.
Hubert Schirneck hält seine Leser zum Nachfragen und Hinhören an, aber er langweilt sie nicht mit prompten Antworten. Zur Sprache gehören das Erforschen von Bedeutung und das Experimentieren mit ihr. Ein Spiel, das auch schon einmal an den Gestaden des Nonsens stranden darf. Sprache ist nicht nur ein Instrument der Erkenntnis, sondern auch ein Werkzeug, mit dem die Dinge zum Schweben und Balancieren gebracht werden dürfen. So gelingen Hubert Schirneck zarte, komische und nachdenkliche Tiergeschichten, die sich unter der Hand als eine tolle Einführung in die Wunderwelten der Sprache erweisen. Wer diese Stories vorgelesen bekommt und geduldig nachfragen darf, der ist auf jeden Fall gut gerüstet, für das, was in der Schule noch gelernt werden soll.

Von Thomas Linden
Thomas Linden arbeitet als Journalist (Kölnische Rundschau, WWW.CHOICES.DE) in den Bereichen Literatur, Theater und Film und konzipiert als Kurator Ausstellungen zur Fotografie und zur Bilderbuchillustration.