Elisabeth Steinkellner Rabensommer
- Beltz & Gelberg Verlag
- Weinheim Basel 2015
- ISBN 978-3-407-81200-1
- 202 Seiten
- 13 ab 14 Jahren
- Verlagskontakt
Elisabeth Steinkellner
Rabensommer
Ein blutendes Herz - Elisabeth Steinkellners beeindruckender Debütroman über das Erwachsenwerden
Ein fragiles Moment, um das sich Elisabeth Steinkellners Roman „Rabensommer“ auf immer wieder andere Weise dreht. Niels verliebt sich in ein anderes Mädchen, und Freundin Ronja zieht nach London. So wird August zu ihrem Vertrauten, aber als sie den Freund in einer fremden Wohnung antrifft, wird offenbar, dass August ein Geheimnis umgibt. Das Leben hält Überraschungen für Juli bereit, die ebenso erregend wie ängstigend sind. Elisabeth Steinkellner besitzt eine Sprache, um die Untiefen dieser Ambivalenz auszumessen.
Man ist mit dem Reifezeugnis zum Erwachsenen erklärt worden, aber das Leben hat diese Reife noch nicht eingelöst. Die Österreicherin beschreibt den Prozess des Erwachsenwerdens in seiner schmerzhaften, aber auch lustvollen Komplexität. Wir schauen Juli zu, wie sie selbständig wird, in die große Stadt zum Studieren zieht, wie sie sich eine eigene Wohnung sucht, sie zusammen mit der Freundin renoviert und erste Kontakte knüpft. Eine junge Frau, die ihren Weg geht, und dabei sensibel und dünnhäutig bleibt. Das Scheitern der ersten Liebe setzt ihr zu, und verwirrend bleiben auch die Männer, die zwischen ihren Bedürfnissen nach Nähe und Distanz nie berechenbar sind.
So fällt Juli in einen Zustand der Melancholie, heute spricht man von Depression, aber in diesem Begriff ist nicht das Gefühl enthalten, an einem blutenden Herzen zu leiden. Glüht der Roman in seiner ersten Hälfte noch vor Lebenslust, beglückenden Freundschaftsgefühlen und Erotik, tröpfelt die Sprache im zweiten Teil in Tagebucheinträgen dahin, die Julis Schwermut greifbar werden lassen. Die Achterbahn der Gefühle ist vom Gipfel in die Tiefe gerast, nun kommen die Selbstzweifel der Verlassenen ans Tageslicht. Juli kämpft sich stumpf durch den Alltag, und Elisabeth Steinkellner zeigt uns, wie aus einer bloßen Protagonistin eine Heldin wird.
Das moderne, selbstbestimmte Leben, in dem es den Menschen auf den ersten Blick an nichts fehlt, besitzt noch eine andere, von Einsamkeit und psychischer Not gezeichnete Seite. Juli findet aus diesem Tal wieder heraus, eine neue, ganz andere Liebe entzündet sich. Obwohl Elisabeth Steinkellner die klassischen Vorgaben des Entwicklungsromans erfüllt, wirkt nichts an ihrer Prosa konstruiert oder dramaturgisch forciert. „Rabensommer“ präsentiert sich aus einem Guss. Ein Debüt, das der deutschen Jugendliteratur eine neue unverwechselbare Stimme beschert. Ein klarer Handlungsverlauf und das Horchen auf zarte Herzensregungen müssen sich eben nicht ausschließen.
Die Aufrichtigkeit dieser Prosa erinnert an das ebenfalls beeindruckende Debüt von Lara Schützsack „Und auch so bitter kalt“ ein Jahr zuvor. Auch sie folgte unbeirrbar den Wegen ihrer Protagonistin, die in den Sog der Melancholie geriet. In diesem Jahr erweist sich hingegen „Rabensommer“ als bedeutendster Roman, den die deutschsprachige Jugendliteratur zu präsentieren hat.

Von Thomas Linden
Thomas Linden arbeitet als Journalist (Kölnische Rundschau, WWW.CHOICES.DE) in den Bereichen Literatur, Theater und Film und konzipiert als Kurator Ausstellungen zur Fotografie und zur Bilderbuchillustration.
Inhaltsangabe des Verlags
Ein furioses literarisches Debüt! »Rabensommer« erzählt vom Abschied von der Kindheit und dem letzten, flirrenden Sommer, den Juli, Ronja, Niels und August miteinander verbringen, bevor sie sich in alle Winde zerstreuen. Ein wundervoller poetischer Roman einer ganz außergewöhnlichen Erzählerin.
Seit Jahren sind sie beste Freunde, fast alles haben sie zusammen gemacht - wie Raben. Jetzt, nach dem Abitur, muss jeder für sich entscheiden, wie es weitergeht. Die Ich-Erzählerin Juli entschließt sich zu studieren, doch noch bevor es losgeht, verändert sich alles, Schlag auf Schlag: Niels, mit dem sie seit einem Jahr zusammen ist, macht mit ihr Schluss. August lüftet sein Geheimnis. Und Ronja geht nach London. Juli ist auf sich allein gestellt und muss ihr Leben, das ihr wie ein Haufen lauter kleine Schnipsel vorkommt, neu sortieren.
(Text: Beltz & Gelberg Verlag)