Lena AnlaufVitali Konstantinov
Geniale Nasen. Eine kuriose Tiersammlung

Was macht ein Gesicht besonders? Und besonders ein Tiergesicht? Wohl die Nase, und das nicht nur, weil sie mitten im Gesicht sitzt, sehr unterschiedlich geformt ist und manchmal richtig komisch aussehen kann. Sondern auch, weil sie viele Funktionen besitzen kann, viel mehr als nur das Atmen und Riechen. „Geniale Nasen“ werden auch zum Wühlen gebraucht, zum Tasten und Greifen, zum Kühlen und Wärmen, als Staubfilter und Luftbefeuchter! Das alles und noch viel mehr erfahren wir in dem neuen Bilderbuch von Lena Anlauf und Vitali Konstantinov.

Der Titel dieses originellen Bilderbuchs macht neugierig, auch weil das Autorenduo sich schon einmal als Spezialteam in Sachen Gesicht geoutet hat mit dem Buch „Bartgeschichten“, einer kleinen Kulturgeschichte der Gesichtsbehaarung – die ja nicht nur ein Naturprodukt ist, sondern oft auch eine Aussage oder ein Bekenntnis signalisiert.

„Geniale Nasen“ ist ein kleines Panoptikum kurioser Tiernasen und Nasentiere. Nach Lebensraum geordnet – Luft und Wasser, auf und unter der Erde – stellt das Bilderbuch insgesamt ca. 40 Tiere aus der ganzen Welt vor. Bekannte Träger großer Nasen sind dabei wie Elefant und Schwein, Ameisenbär und Tapir, dazu viele hier in Europa unbekannte Tiere, deren Namen schon etwas Besonderes erwarten lassen und manchmal wahre Zungenbrecher sind: Sternnasenmaulwurf, Spitzkopfzikade, Schlitzrüssler oder die indonesische Schweinsnasen-Spitzmausratte. Dass diese Tiere alle auch ihre lateinische Bezeichnung haben, erleichtert die Übersetzung und die internationale Vermittelbarkeit des Buches.

Natürlich stehen die häufig sehr merkwürdigen Nasen, ihr Aussehen und ihre Größe, ihre Form und Funktion im Zentrum jeder Tierbeschreibung. Doch ausgehend vom Riechorgan entwickeln sich lebendige Portraits der Tiere, die über Lebensraum und Lebensgewohnheiten, Nahrung, Fähigkeiten und ihre Rolle im Ökosystem informieren. Auch über Tiere, die wir zu kennen meinen, erfahren wir Erstaunliches. Zum Beispiel, dass der Elefant seinen Rüssel nicht nur zum Essen und Trinken, Arbeiten und natürlich Riechen braucht, sondern auch für Kommunikation und Zärtlichkeit. Oder dass die Ultraschall-Orientierung der Fledermaus über die Nasenblätter gelenkt wird.

Doch was wäre ein solches Nasen-Bilderbuch ohne die entsprechenden Illustrationen? Vitali Konstantinovs Bilder verwandeln die interessante Nasengesellschaft in eine witzige und sehr besondere Portraitgalerie. In lichtem Grün-Gelb und vielen unterschiedlich großen Portraits, Vignetten und Panoramen haben sie eine fröhlich-freche Ausstrahlung, was vor allem an den leise kuriosen Tierdarstellungen liegt. Nicht um Präzision und Authentizität geht es dem Künstler, sondern um eine frische, schwungvolle Umsetzung. Dazu gehören comicartige Tiergesichter mit Riesenaugen und menschlicher Mimik, die Visualisierung von Geräuschen und Gefühlen oder komische Gesten und Haltungen.

Auf diese Weise verbinden sich solide und auch erstaunliche Informationen und pfiffige Bilder zu einem Sachbilderbuch für Kinder mit größtmöglichem Unterhaltungsfaktor. Was die Auswahl der Tiere betrifft, könnte man fragen, warum nur vier Vogel-, drei Fischarten und so wenige Insekten vorkommen. Dass Fische nicht gut riechen können und Insekten gar nicht, wirkt als Begründung etwas kurz. Gerne hätte die Rezensentin auch noch mehr über die Riesenhamsterratte erfahren, die mit ihrer Spürnase beim Erkennen von Krankheiten helfen und sogar vergrabene Landminen entdecken kann. Was für ein Riesentalent! Könnte die Menschheit es nicht viel stärker nutzen?

Dass bei allem Witz und aller Konzentration auf kuriose Details der wissenschaftliche Background des Bilderbuchs gesichert ist, beweist der reichhaltige Anhang. Ein ausführliches Glossar, Anmerkungen und ein umfassendes Register runden den Band ab. Eine Weltkarte auf dem vorderen Vorsatzblatt kommt dazu, aus der ersichtlich ist, dass nur wenige der vorgestellten Tiere in Europa leben, das Buch also von internationaler Bedeutung ist. Und auf dem hinteren Vorsatzblatt macht eine Größentabelle klar, in welchem Verhältnis die kuriosen Nasen und die zu ihnen gehörenden Tiere zur Größe des Menschen stehen. Was will man mehr?