Lorenz Langenegger Dorffrieden
- Jung und Jung
- Salzburg 2016
- ISBN 978-3-99027-090-5
- 192 Seiten
- Verlagskontakt
Lorenz Langenegger
Dorffrieden
Provinz als Schutzraum
Der Schweizer Schriftsteller Lorenz Langenegger zeigt seine Hauptfigur als sympathischen, gutmütigen Vertreter des Gesetzes. Sein Dorf fungiert als perfekter Schutzraum in einer globalisierten Welt voller Terrorangst und Beschleunigung. Im Präsens, in stiller, klarer Prosa erzählt Langenegger charmant vom unermüdlichen Versuch des Polizisten, seine Gemeinde vor negativen Ausprägungen der modernen Welt zu schützen. Dass sein erwachsener Sohn kifft, schockiert Wattenhofer. Dass seine Frau zugibt, selbst Gras geraucht zu haben, kann er kaum fassen. Dass seine Polizeiwache nun „Dienstleistungszentrum Sicherheit" heißt, irritiert ihn. Wo ist sie nur geblieben, seine beschauliche Welt?
Wattenhofers Besorgnis wächst, als er von Frau Direktor Ramsauer, der Witwe des ehemaligen Gemeinderatspräsidenten, einen Hinweis erhält: Auf dem Parkplatz vor der Schule hätten Vandalen gewütet. Der Wachtmeister nimmt diese Aussage ernst und schlittert in einen für seine Verhältnisse komplizierten Fall. Am vermeintlichen Tatort findet er eine weggeworfene Zigarettenschachtel, in der ein Spindschlüssel steckt. Zudem erfährt Wattenhofer, dass ein verdächtiger Mietwagen auf dem Gelände parkte. Der Schlüssel führt den Polizisten ins örtliche Schwimmbad, zu einer alten Sporttasche, ins Dorfmuseum, in einen Nachtclub – und schließlich zu einem Paar Gummistiefel, das zur Lösung des Falles beiträgt.
Durch die Ermittlungen seines bescheidenen Helden vermittelt Lorenz Langenegger geschickt ein umfassendes Bild der Dorfgemeinde, in der jeder jeden kennt. Leicht zugespitzt, mit feiner Ironie erzählt Langenegger von genügsamen Menschen in einer entschleunigten Umgebung. Für den Wachtmeister ist der titelgebende Dorffrieden jedoch stets in Gefahr, weshalb Wattenhofer sogar den Abend und die Nacht seines Hochzeitstages durcharbeitet. Sein Engagement zeigt Wirkung: Der Fall wird schließlich gelöst, und Wattenhofer kann aufatmen. Hinter den scheinbar seltsamen Ereignissen steckt nur allzu menschliches Verhalten. Die Provinz bietet also weiterhin Schutz. Und er kann wieder in Ruhe Patience am Bürobildschirm spielen.
Lorenz Langenegger überzeugt auch in seinem dritten Roman mit einer sanften Version der im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreichen Regionalkrimis. Dieses Genre steht weniger für realistisch geschilderte Verbrechensaufklärung als vielmehr für amüsante Milieustudien mit Spannungsgarantie. Auch Langenegger verstärkt gegen Ende seines Romans die suspense-Anteile, ohne die unaufdringliche Komik seiner Handlung und die empathische Nähe zu den Protagonisten zu verlieren. In einer gelassenen Sprache schildert er die liebevollen Eigenheiten seines Ermittlers in einer Miniaturwelt, die der Globalisierung trotzt.

Von Günter Keil
Günter Keil ist freier Kulturjournalist und Juror (Tukan Preis der Stadt München, Stuttgarter Krimipreis). Er rezensiert Neuerscheinungen und interviewt Autoren u.a. für Süddeutsche Zeitung, SPIEGEL Online, Die Welt.
Inhaltsangabe des Verlags
Die Welt ist alles, was ein Fall ist: Oft genug geht es in Krimis um Leben und Tod – bisweilen aber auch um deutlich weniger.
Ist die Woche vorbei, kann sich Wattenhofer sagen: »Jetzt ist schon wieder nichts passiert«, und das ist gut so. Zwei mal zwei Kilometer misst der Flecken Idylle in der Provinz, wo er die Obrigkeit verkörpert und als Polizeiwachtmeister darüber wacht, dass nichts passiert. Doch eines Tages, just vorm Wochenende, erhält er einen Hinweis, und er geht ihm nach. Gründlich. Und entdeckt einen Schlüssel zu einem Garderobenschrank im örtlichen Schwimmbad. Dieser Schlüssel führt ihn zu einer Sporttasche, und in dieser Sporttasche findet er ein Foto, zerrissen, und auf dem Foto erkennt er seinen Sohn. Auf einmal ist nichts mehr, wie es war, nicht in seinem Hoheitsgebiet und nicht in seinem Leben. Wie aus heiterem Himmel ist da ein Fall, der größer und größer wird, und plötzlich geht es um alles.
(Text: Jung und Jung)